Fehlervermeidung bei der Höhlenvermessung

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Von Thomas Bitterli (†)
Mit Aktualisierungen von Rolf Siegenthaler

Zusammenfassung

Die Auswertung von Ringschlüssen und Nachvermessungen in einigen grossen Höhlensystemen im Berner Oberland hat gezeigt, dass unerwartet viele Vermessungsfehler auf die falsche oder nachlässige Handhabung der Geräte und auf die unwissentliche Verletzung grundlegender Vermessungsregeln zurückgehen. Der vorliegende Beitrag stellt einen Versuch dar, die wichtigsten Grundsätze und Fehlermöglichkeiten bei der Erarbeitung des Vermessungszuges aufzuzeigen. Für die regelmässige Kontrolle der Messgeräte und allfällige Augenfehler wird die Messanlage der HRH auf der Chromatte vorgestellt.
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Einleitung

Vor ungefähr zehn Jahren erschien im „Stalaktit“ eine umfassende Abhandlung über die Zuverlässigkeit der vielfach eingesetzten SUUNTO-Messgeräte (HOF 1988). Der Autor kommt darin zum Schluss, dass diese handlichen und robusten Geräte den Anforderungen der Höhlenvermessung durchaus genügen, sofern einige wesentliche Grundregeln und Vorkontrollen eingehalten werden. Die bisherigen, zeitraubenden Fehleranalysen in einigen labyrinthischen Riesensystemen vorab in der Region Sieben Hengste – Hohgant haben in aller Deutlichkeit aufgezeigt, dass diese Grundsätze von Zeit zu Zeit wieder in Erinnerung gerufen werden müssen. Viel zu oft verlässt sich der Höhenforscher blindlings auf die phantastischen Genauigkeitsangaben der Gerätehersteller; viel zu häufig werden grobe Fehler durch Unwissenheit, durch eine ungeschickte Wahl der Messstrecken, durch falsche Handhabung der Geräte, durch Missverständnisse bei der Datenübermittlung und durch Konzentrationsschwächen bei Müdigkeit und fehlender Motivation eingebaut.
Ziel dieses Beitrages ist es, die zahlreichen Fallen aufzuzeigen, welche sich einer Vermessungsgruppe entgegenstellen, und vor allem Hinweise zur Umgehung dieser Fallen zu vermitteln. Soweit als möglich wird auf die Wiedergabe der wissenschaftlichen Grundlagen verzichtet und diesbezüglich auf den Artikel von HOF (1988) verwiesen. Weitere, ausführliche Informationen zur Vermessungstechnik finden sich in GROSSENBACHER (1991) Die Problematik der Zeichnung, welche mindestens so wichtig ist wie der Vermessungszug, kommt hier nicht zur Sprache.

Und noch eine letzte Vorbemerkung: Papier ist geduldig und Computerprogramme (manchmal) auch. Aber selbst das beste Programm ersetzt nie eine fehlerhafte Vermessung, sondern gleicht sie lediglich fehlerhaft aus. Wer sich im blinden Vertrauen auf die Möglichkeiten der EDV die Einhaltung der Vermessungs-Grundregeln ersparen möchte, dem sei inständig von der Vermessung abgeraten. Eine fehlerhafte Vermessung ist schlimmer als gar keine, da die Suche nach den falschen Daten erfahrungsgemäss aufwendiger ist als eine vollständige Nachvermessung.

Allgemeine Bemerkungen zu den Messfehlern

Die in der Höhlenvermessung angewendete Methode von aneinandergehängten Messzügen hat im Gegensatz zur direkten Koordinatenermittlung den Nachteil, dass sich eine Fehlmessung auf sämtliche weiteren Messpunkte überträgt. Die Kontrollmöglichkeiten sind in der Regel sehr eingeschränkt und werden aus Gründen der Zeitersparnis zu wenig angewendet: konsequente Kontrollpeilung in rückwärtige Richtung, Fehleranalysen von Ringschlüssen, Nachvermessung .
Zufällige Fehler wirken sich dabei weniger schlimm aus, da sie sich bei vielen Messstrecken bis zu einem gewissen Grad statistisch ausgleichen. Davon ausgenommen sind grobe Fehler bei langen Messstrecken. Bei einer gewissenhaft ausgeführten und zu Hause rasch umgesetzten Zeichnung sollten zumindest die gröbsten Fehler (ab ca. 30° Abweichung) eigentlich erkannt werden. Die Erfahrung zeigt jedoch, dass dies nur selten der Fall ist.

Systematische Fehler wirken sich bei jeder Messstrecke gleichermassen aus und summieren sich entsprechend. Bereits kleine systematische Abweichungen von einigen Zehntelsgrad können sich bei entsprechender Ganglänge zu Dutzenden von Metern aufsummieren (vgl. Zusammenschluss F 1 – Sieben Hengste mit einem Höhenfehler von 80 m !). Im Gegensatz zu den zufälligen Fehlern lassen sich systematische Fehler auskorrigieren, sofern sie auch quantitativ abschätzbar sind.

Dazwischen gibt es eine grosse Bandbreite von mehr oder weniger zufälligen Fehlern, welche je nach vorherrschender Gangausrichtung und Messgewohnheit systematischen Charakter erhalten. Da sich der Fehlbetrag jeweils ändert, lassen sie sich nicht automatisch auskorrigieren. Im Sinne einer praktischen Ratgebung wird hier eine andere Einteilung vorgenommen, welche sich nach den verschiedenen Fehlermöglichkeiten ausrichtet. Bei fast allen der aufgezählten Fehlervariationen können die Fehler zufälliger und systematischer Natur sein.

Wahl der Messpunkte

Das in der Schweiz meistverwendete System, die Messpunkte direkt an der Ablesestelle mit Nagellack zu markieren, hat sich v.a. bezüglich der Nachvollziehbarkeit und Genauigkeit seit Jahrzehnten bestens bewährt. Es bedingt aber die konsequente Einhaltung einiger wichtiger Regeln:
Zu lange Messstrecken (>20 m} sind schon von der Zeichnungsgenauigkeit her zu vermeiden. Schon kleine (auch zufällige) Messfehler wirken sich zudem unverhältnismässig stark auf die Messgenauigkeit aus. Entsprechend sollte hier ganz speziell auf die gröbsten Fehlermöglichkeiten Rücksicht genommen werden: keine Sichtbehinderung durch vorstehende Kanten, Zielpunkt mit Lichtquelle versehen (z.B. hinhalten der Helmflamme – nur Beleuchten ist ungenügend), bequeme Position beim Ablesen, Kontrollablesung, evtl. auch rückwärts.

Messpunkte, welche keine bequeme Ablesung erlauben, gehören zu den grossen Fehlerquellen. Oft lassen sich solche Messstrecken durch die Wahl eines Zwischenpunktes vermeiden.

Manchmal ist es nicht möglich, das Messgerät direkt auf den Messpunkt zu setzen. In solchen Fällen muss die Messstrecke gedanklich um den entsprechenden Betrag parallel versetzt werden. Wird diese Versetzung am Zielpunkt nicht angezeigt (sondern vom Ableser abgeschätzt), so können daraus grobe Fehler entstehen.

Das v.a. bei Aussenvermessungen oft angewendete System, ohne eigentliche Messpunkte zu arbeiten, sondern auf die Augen des Vermessungspartners zu peilen, hat sich als sehr ungenau erwiesen, insbesondere da es sich häufig um lange Messstrecken handelt. Bei Aussenvermessungen versagt im Übrigen auch die Bezeichnung mit Nagellack (zu lichtempfindlich) und muss mit Farbe erfolgen (z.B. Markiertube mit System („Kugelschreibkopf“).

boussole
Ansicht eines SUUNTO-Kompasses mit aufgesetztem Plexiglaszylinder

Steile Strecken (>40g) wirken sich gleich in zweifacher Hinsicht auf die Messgenauigkeit aus: einerseits wird es schwieriger, die Richtung zu messen und das Gerät gleichzeitig horizontal zu halten, was oft zur Blockierung der Kompass-Scheibe führt. Anderseits lässt sich das Auge allzu leicht durch schiefe Wandstrukturen täuschen, wenn der Peilstrich des Gerätes gedanklich nach oben oder unten erweitert werden muss. Das Problem lässt sich entschärfen, indem man die fehlende Verlängerung des Peilstriches durch ein senkrechtes Lot ersetzt (z.B. Zuhilfenahme der Kordel mit angehängtem Neigungsmesser), oder indem man den Kompass mit einem optischen Zusatz versieht (Plexiglaszylinder nach WEISSENSTEINER & TRÜSSEL 1991, siehe Fig. 1). Steile Strecken sind grundsätzlich zu vermeiden und wenn immer möglich durch senkrechte Zwischenstrecken zu ersetzen.
Anschlussfehler verursachen schlimme, nachträglich schwer eruierbare Vorzüge eines Messnetzes. Sie lassen sich vermindern durch eine saubere Zeichnung und durch eine konsequente Punktmarkierung und -beschriftung. Nebst dem diskret eingesetzten Nagellack hat sich die zusätzliche Kennzeichnung mit fluoreszierenden Streifen in grossen Systemen als äusserst nützlich erwiesen. Sie sind ebenfalls diskret, strahlen einem aber dennoch aus 10 m Distanz entgegen, und die Messpunktnummer kann mit wasserfestem Stift direkt notiert werden. (In Kleinhöhlen wirken die Streifen eher störend. A.d.A.) Zu empfehlen sind auch Notizzettel aus Synthosil, die, versehen mit den nötigen Angaben, bei wichtigen Messpunkten, Abzweigungen und Schlöten deponiert werden.

Beeinflussung durch Eisengegenstände

Eisen lenkt bekanntlicherweise die Kompassnadel ab. Leider besteht die Höhlenforscherausrüstung zu einem grossen Teil aus Eisen, und nicht alles lässt sich durch Kunststoff Aluminium oder Messing ersetzen. Zudem besteht bei den Herstellern von Höhlenforschungsmaterial häufig nur wenig Anreiz, die Anliegen der Vermessungsgruppen zu berücksichtigen: ihr Anteil ist im Vergleich zu den reinen Höhlenbesuchern klein, und viele, auch erfahrene Höhlenforscher sind sich der Tragweite dieser Fehlentwicklung nicht genügend bewusst: die Dunkelziffer der solchermassen verfälschten Höhlenplane dürfte 20-30% erreichen. In dieser unbefriedigenden Situation bleibt dem Höhlenforscher nichts anderes übrig, als die Eisengegenstände im Umgebungsbereich der Ablesung systematisch durch Messing zu ersetzen. Denn ausgerechnet die viel verkauften Petzl-Helmlampen enthielten als Düsenschutz einen Eisenstab, der sich beim Ablesen der Messgeräte kaum 2 cm über der Kompassnadel befindet! Richtungsfehler von zehn und mehr Grad sind garantiert (aber in keiner Garantie erwähnt). Die ausgeklügelte Konstruktion dieser Helmlampen erlaubt es hingegen, fast alle Eisenteile ohne grossen Aufwand zu ersetzen. Da die entsprechenden Messingschrauben praktisch nur im Grosshandel erhältlich sind (Bezeichnungen siehe Fig. 2), bietet Spelemat in Bussigny als zusätzliche Dienstleistung den Einzelvertrieb dieser Ersatzteile an. Die SGH Bern besitzt ebenfalls einen Stock der nötigen Teile – welche auf Anfrage gerne abgegeben werden.

Zusammenstellung der nötigen Messing-Ersatzteile, um die Petzl-Beleuchtungsausrüstung (Laser) vermessungstauglich umzurüsten.

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Nicht ganz so einfach ist der Ersatz des Piezo. Die Federn lassen sich zwar durch Gummizuge ersetzen, der Schlagbolzen hingegen sitzt je nach Montage des Gerätes genau über dem Messgerät. Die dadurch auftretenden Fehler von bis zu 5 Grad nehmen bei konstanter Gangrichtung systematischen Charakter an. Sie sind aber zu variabel, als dass eine nachträgliche Korrektur der Messungen möglich wäre. Da der Piezo meist rechts der Düse installiert ist, bringt das Ablesen mit dem linken Auge schon eine wesentliche Verbesserung. Ansonsten ist bei der Montage darauf zu achten, den Piezo möglichst hoch zu installieren, so dass die Entfernung vom Messgerät zum Schlagbolzen grösser wird (Persönliche Anmerkung: Der Piezo lässt sich auch so installieren, dass er vor einer Vermessung abgenommen werden kann. Vielleicht schlägt hierzu ein findiger Kopf eine einfach zu realisierende Lösung vor.)

Wer sich des Einflusses seines Helmes nicht gewiss ist, der sollte ihn bei jeder Vermessung ausziehen und auf Distanz halten Leider sind nicht alle Messpunkte derart ideal gesetzt, dass dies einigermassen bequem möglich ist. Die restlichen, zum Teil sehr massiven Eisenteile sind in der Regel genügend weit vom Messgerät entfernt, damit in Normalstellung eine wesentliche Ablenkung ausgeschlossen werden kann. Dabei vergisst man allerdings allzu rasch, dass auch diese Gegenstände in gefährliche Nähe des Messgerätes gelangen können: Vorschieben des Entwicklers in Engstellen (v.a. falls Entwickler mit Schlinge um den Hals getragen), Messung einer Strecke am Seil mit dem Messgerät neben der Steigklemme, Vermessung mit einem Sack voller Eisenmaterial auf dem Rücken (bei Aussenvermessung gar der Entwickler !), Verwendung einer elektrischen Zusatzlampe beim Ablesen des Kompasses, Brillengestelle und anderes mehr. Bei Aussenvermessungen fallen die Höhlenforscher regelmässig auf Eisenstangen und mit Nageln bewehrte Zaunpfähle herein.

Gerätebedienung

Die Ermittlung der Messdaten erfordert stets einen beträchtlichen Konzentrationseinsatz (ungünstige Lichtverhältnisse, schlechte Ableseposition, Schmutz, blockierende Kompassscheibe, inverse Skala usw.) und entsprechende
Übung. Aus Kursen ergibt sich immer wieder, dass von Anfängern oder wenig geübten Leuten durchgeführte Vermessungen sehr hohe Fehlerraten aufweisen können (bis zu 50% der abgelesenen Werte!). Aber auch geübte Ableser sind nicht gegen die zahlreichen Fehlermöglichkeiten gefeit: Müdigkeit und mangelnde Motivation tragen wesentlich zur Minderung der Messgenauigkeit bei (zu rasche Ablesung, keine Verifizierung der Ablesungen, Einmessung eines falschen Zielpunktes ..). Es lässt sich immer wieder beobachten, dass die Vertrauenswürdigkeit der Ablesungen bei langen Vermessungstouren oft nicht etwa kontinuierlich abnimmt, sondern ab einem gewissen Müdigkeitsstadium sehr rasch schwindet. Die Schwierigkeit besteht nun darin, den richtigen Zeitpunkt zum Abbruch einer Vermessungstour zu erkennen.

Grundsätzlich wird empfohlen, nur mit einem Auge abzulesen. Einerseits ermüdet das Auge weniger rasch, anderseits fallen Augenfehler der Ableser, welche relativ häufig vorkommen, viel weniger ins Gewicht (v.a. bei zunehmender Müdigkeit und abnehmender Konzentration).

Die richtige Haltung der Messgeräte (in verrenkter eigener Stellung) will geübt sein. Liegt das Kompassgehäuse nicht völlig horizontal (d.h. parallel zum Gehäuse), so blockiert die sonst frei rotierende Scheibe und zeigt entsprechend falsche Werte an. Der Fehler kann ohne weiteres dreissig und mehr Grad ausmachen. Da eine Wasserlibelle fehlt, muss vor jeder Ablesung überprüft werden, ob die Scheibe auch wirklich frei rotiert. Je steiler die Strecke, desto heikler die Richtungsermittlung. Eine zu rasche Ablesung kann ebenfalls zu Fehlern führen, da die Stabilisierung der Scheibe etwas Zeit benötigt. Der Neigungsmesser blockiert bei schräger Haltung in der Regel nicht. Dennoch sollte der Höhlenforscher darauf achten, auch dieses Gerät möglichst senkrecht zu halten. Die schräge Haltung des Gerätes bewirkt einen systematischen Fehler, der durchaus ein Grad erreichen kann (Begründung siehe HOF 1988). Die systematisch zu hohen Neigungswerte führen zu übertriebenen Gesamttiefen der Höhlen. Das beste Beispiel hierfür bot der Zusammenschluss des F1 mit dem System der Sieben Hengste: der Höhenfehler von 80m entspricht einem Messstreckenfehler von unter einem Prozent!

Das Ablesen der Zahlenwerte und die Abzählung der lediglich mit Strichen wiedergegebenen Feineinteilungen führt selbst bei Tageslicht immer wieder zu Fehlern, bei schlechter Beleuchtung und ungewohnter Stellung um so mehr. Hilfe leisten hier Geräte mit fluoreszierenden Markierungen aus Tritium, mit eingebauter Beleuchtung, ein zusätzliches Taschenlämpchen (Vorsicht: häufig Ablenkung der Kompassnadel!) oder die Benutzung der Handfläche als behelfsmässigen Reflektor. Vor allem bei Neulingen entstehen immer wieder Ablesefehler, indem die falsche Skala abgelesen wird.

Ablesen der Geräte

Kompass
Kompass
Neigungsmesser
Neigungsmesser

Weiter verbreitet allerdings sind Abzählungsfehler, welche durch die inverse Skala sowohl des Neigungsmessers als auch des Kompasses zustande kommen (siehe Beispielablesung). Auch wenn dieser Fehler nicht systematisch ist, so bewirkt ein 10g-Fehler (z.B. 75g anstatt 85g) bei 20 m Messstreckenlänge bereits eine Abweichung von 3,8 m. Wie ungewohnt das Abzählen von rechts nach links bzw. von oben nach unten ist, zeigen die an Kursen gemachten Erfahrungen mit Neulingen: die Fehlerquote liegt bei nahezu 50%! Abgesehen davon, dass sich auch viele geübte Höhlenforscher dieser Fehlerquelle nicht bewusst sind, nehmen die Fehler bei Müdigkeit und Konzentrationsverlust in gravierendem Masse zu Insbesondere die Unterscheidung zwischen kleinen positiven und negativen Neigungswerten bietet immer wieder zu Fehlinterpretationen Anlass.

Datenübermittlung

Üblicherweise werden die ermittelten Werte nicht von demjenigen notiert, welcher abliest, sondern bevorzugt vom Zeichner (mit der gleichzeitigen Abschätzung der für die Zeichnung wichtigen Breiten und Höhen). Die schlechte Verständigung infolge schallschluckender Lehmüberzüge, Bach und Tropfwasser, die leicht verwechselbaren Zahlwörter und die verschiedenen Dialekte und Sprachen bergen beträchtliche Fehlermöglichkeiten. Nicht zu vergessen sind die Fehler infolge Vertauschung der Ziffernfolge (z B. 76 anstatt 67). Erfahrungsgemäss werden je nach Müdigkeit und abnehmender Konzentration bis zu 10% der übermittelten Werte falsch notiert. Deshalb müssen die Werte deutlich und laut durchgegeben werden;
die entsprechenden Werte durch den Zeichner sofort notiert und wiederholt werden; die wiederholten Werte durch den Ableser kontrolliert und bestätigt werden. Eine gefährliche Fehlerquelle sind Interpretationen und Umrechnungen von rückwärts vermessenen Strecken. Geräte mit 400er Einteilung bieten hierbei eine wesentlich grössere Sicherheit. Grundsätzlich muss vor der Vermessung abgesprochen bzw. notiert sein (auf dem Messblatt die Nr. der Geräte vermerken), ob die Grad- oder Neugradeinteilung verwendet wird (bei den Neigungsmessern gibt es sogar noch eine Prozentskala !), und wer die Umrechnungen durchführt (Gefahr der Doppelumrechnung). Wir empfehlen, stets die abgelesenen Rohdaten durchzugeben, und die umgerechneten Daten auf dem Vermessungsblatt speziell zu kennzeichnen (kann für allfällige spätere Korrekturen wichtig sein) Um Interpretationsfehler zu vermeiden, ist auch das unnötige Runden der Distanzen auf 5 cm oder gar 10 cm zu unterlassen Übertragungsfehler geschehen auch beim Notieren der Messdaten. Allzu oft geht in der Hast der Zeichnung das Notieren einzelner Werte unter, welche dann einige Messstrecken danach aus der Erinnerung eingesetzt werden. Manchmal erweisen sich die Ziffern als derart unleserlich, dass zu Hause mit Hilfe einer Münze entscheiden werden muss Zu häufig auch vernachlässigt der Zeichner das oberste Gebot: saubere Hände zu behalten!

Gerätebehandlung und -pflege

Die SUUNTO-Vermessungsgeräte vermitteln einen sehr robusten Eindruck, der jedoch über den empfindlichen Geräteinhalt hinwegtäuscht. Tatsächlich reagieren die Geräte ziemlich empfindlich auf Feuchtigkeit, Schmutz und Schläge. Häufig hat der Ableser während der Vermessung keine Möglichkeit, die dadurch bewirkten Fehler zu erkennen, d.h. das Gerät liefert unter Umständen während Jahren regelmässig falsche Werte. Solche Fehler lassen sich nur mit einer ebenfalls regelmässigen Eichung erkennen. Die Geräte sind keineswegs wasserdicht und dürfen nie direkt ins Wasser gehalten werden. Ein Vollbad fördert zudem das Eindringen der feinen Schmutzpartikel. Gereinigt werden die Geräte grundsätzlich nur mit einem feuchten Lappen. Eigentlich sollte es bei solch teuren Geräten zur Selbstverständlichkeit gehören, die Geräte möglichst sauber zu halten: Geräte werden prinzipiell im Etui und unter dem Kombi versorgt, beide Handschuhe zur Messung ausgezogen, die Hände sauber behalten. Spezielle Vorsicht ist beim Vermessen in Neoprenanzügen geboten. Das durch die hohe Feuchtigkeit gebildete Kondenswasser im Geräteinnern hat schon manche Ablesung verunmöglicht. Es ist möglich, die Geräte durch Einsetzen einer dickeren Gummidichtung oder durch Einstreichen einer Dichtungspaste zu verbessern, hingegen leidet bei letzterer Massnahme die Ablesung (ungünstiger Lichteinfall). Das Öffnen der Geräte zur Reinigung ist zwar möglich, ist aber sehr heikel und bedingt eine nachträgliche Eichung.

Schläge bewirken unter Umständen eine Schiefstellung oder Verbiegung der Achse. Daraus kann eine systematische Fehlanzeige erwachsen, oder sie bewirkt eine zusätzliche Reibung, welche die Scheibe am freien Einpendeln hindert (die Scheibe hängt an). Entgegen allgemein verbreiteter Meinung braucht es für derartige Schäden keine grossen Schläge: das häufige Aneinanderschlagen der umgehängten Geräte genügt vollkommen. Am häufigsten treten die Schäden bei Geräten auf, die zwischen den einzelnen Messstrecken nicht unter das Kombi oder in die Etuis versorgt werden (Aussenvermessungen). Das Zusammenkleben der beiden Geräte hat u.a. den Vorteil, dass die Gefahr von Schlägen stark reduziert wird.

Das Problem dieser Alterungsschäden liegt nicht so sehr im Anzeigen fehlerhafter Werte, sondern beim Erkennen der Fehlerhaftigkeit überhaupt. Hier helfen nur korrekte Behandlung, Kontrollmessungen und regelmässige Eichungen weiter.

Luftblasen können das freie Einpendeln der Scheibe wesentlich behindern. Sofern es sich nicht um reine Effekte des Luftdruckes (Änderung der absoluten Höhe) handelt, sind sie stets Anzeiger für alternde Geräte. Ein Nachfüllen mit reinem Petrol ist sehr heikel und verlängert die Einsatzdauer des Gerätes häufig nur um wenige Monate.

Das Massband ist von der Pflege her unproblematisch. Dennoch muss darauf geachtet werden, dass die Zahlen gut ablesbar bleiben. Dies betrifft v.a. die Nullmarke: eine Niete am Nullpunkt behebt jeglichen Zweifel. Vom Abschneiden bzw. Verkürzen der Messbänder sei dringend abgeraten. Die sich daraus ergebenden Umrechnungsfehler sind viel häufiger als man glaubt (selbst bei einer Verkürzung um 10 m). Bei einzelnen Händlern sind im Übrigen auch Ersatzbänder erhältlich, was wesentlich billiger ist als eine ganze Rolle.

Geräte- und Augenfehler

Trotz Garantien besteht beim Kauf keine Gewähr, dass das Gerät richtig eingestellt ist. Systematische Abweichungen von 2g sind keine Seltenheit und bewirken bei langen Vermessungszügen Fehler von mehreren Dutzend Metern. Hinzu kommen die Fehler, welche mit dem Gebrauch der Instrumente auftreten (Verbiegung der Achse). Teilweise lassen sich solche Fehler mittels eines instrumentenspezifischen Korrekturwertes beheben, die Schwierigkeit besteht aber in der Ermittlung dieses Korrekturwertes und v.a. beim Erkennen des Zeitpunktes, zu welchem zusätzliche Fehler auftreten.
Das einzige Mittel zur Ermittlung der Korrekturwerte sind Kontrollmessungen (Eichung) in regelmässigen Zeitabständen. Die HRH verfügt über eine Messanlage, wo solche Messungen mit vertretbarem Aufwand durchgeführt werden können. Aus einer solchen Eichung muss hervorgehen:

1. ob und wie gut die abgelesenen Werte reproduziert werden können; falls die Reproduzierbarkeit gewährleistet ist,
2. die Abweichung des Messgerätes gegenüber magnetisch Nord (bzw. der Horizontalen beim Neigungsmesser) und

3. die Abweichung gegenüber magnetisch Nord (bzw. der Horizontalen) infolge von Augenfehlern.

Kompass Serie 3a
Kompass Serie 3a
Neigunsmesser Serie 4a
Neigungsmesser Serie 4a

Aufgrund der bislang im Rahmen der HRH (Höhlenforschungsgemeinschaft Region Hohgant) getesteten Geräte kann etwa folgende Genauigkeitsabstufung angegeben werden:

(Testserie Kompasse) + (Testserie Neigungsmesser)

Schwankungen bis zu 0,3g ausgezeichnetes Gerät (Gerät 1 & 7 auf Fig. 5, Gerät 1 auf Fig. 6);
Schwankungen bis zu 0,5g gutes Gerät;
Schwankungen bis zu 1g mittelmässiges bis schlechtes Gerät (Gerät 2 auf Fig. 5);
Schwankungen über 1g unbrauchbares Gerät (Gerät 8 auf Fig. 5, Gerät 9 auf Fig. 6).

Die Ermittlung von Korrekturwerten ergibt nur für die ersten beiden Kategorien einen Sinn. Bei den schlechteren Geräten übertreffen die Ableseschwankungen nämlich einen allfälligen Korrekturwert. Solche Geräte sind nach Möglichkeit nur für Vermessungen in kleinen Höhlen (auf jeden Fall nie bei Aussenvermessungen) einzusetzen.
Bereits der relative Vergleich der verschiedenen Geräte zeigt, wo etwa die tatsächlichen Werte liegen dürften. Der Anteil Geräte, die zwar eine gute bis ausgezeichnete Reproduzierbarkeit aufweisen, aber systematisch um 1-2g zu hohe bzw. zu tiefe Werte anzeigen, liegt nach den bisherigen Erfahrungen immerhin bei 10-20% (vgl. Gerät 5 auf Fig. 5 und Gerät 1 auf Fig. 6). Zur Ermittlung der Korrekturwerte muss ein Gerät beigezogen werden, das eine ausgezeichnete Reproduzierbarkeit aufweist und dessen Korrekturwert bekannt ist. Damit lassen sich den willkürlich festgesetzten Fixpunkten absolute Werte zuordnen. Bei Messserien über mehrere Jahre hinweg muss zudem die Deklination berücksichtigt werden. Allfällige Augenfehler können mit derselben Methode ermittelt werden, indem verschiedene Ableser ein bestimmtes (womöglich geeichtes) Gerät benutzen. Daraus ergibt sich ein zweiter, augenspezifischer Korrekturwert.

Damit die ermittelten Korrekturwerte überhaupt einen Sinn machen, müssen die Messgeräte dauerhaft gekennzeichnet werden (oder man benutzt die eingravierte Seriennummer). Zu jeder Vermessungstour gehört die Eintragung der Gerätebezeichnung (auch wenn es noch nicht geeicht ist!) und des Ablesers (wegen allfälliger Augenfehler). Leider sind wir heute allzuoft in der Situation, dass alte, fehlerhafte Vermessungen nicht mehr korrigiert werden können, weil sich auf dem Messblatt nirgends ein Hinweis auf die verwendeten Messgeräte findet. Allzuoft kommt es auch vor, dass ausrangierte Messgeräte im Abfall landen, ohne dass je Kontrollmessungen erfolgt sind.

Ringschlüsse, Rückwärtsvermessung und Nachvermessung

Der Grundsatz, möglichst viele Messzüge zu schliessen, gilt nach wie vor, doch dürfen die Möglichkeiten des Fehlerausgleichs nicht überbewertet werden. Ringschlüsse können ein Vermessungsnetz nämlich nur stabilisieren, falls dieses ausschliesslich wohlverteilte, zufällige Fehler enthält. Vor allem bei Ringschlüssen mit nur wenigen Messstrecken trifft dies selten zu. Die eigentliche Fehleranalyse ist äusserst zeitaufwendig und benötigt in der Regel mehr Zeit als eine vollständige Nachvermessung. Insbesondere wird die Analyse sehr schwierig bzw. führt zu falschen Rückschlüssen bei:
systematischen Gerätefehlern. Sie bewirken oft lediglich eine Rotation sämtlicher Messstrecken und haben damit kaum Einfluss auf den Fehlbetrag des Ringschlusses.
einzelnen groben Fehlern. Da der Rundschlussfehler die Summe aller einbezogenen Messstreckenfehler darstellt ist es häufig unmöglich, die groben Fehler zu lokalisieren. Ein solcher Rundschluss darf nicht geschlossen werden, denn der einzelne grobe Fehler wird damit auf die übrigen Strecken verteilt und damit das Netz nicht etwa stabilisiert, sondern verzogen.
falschen Anschlusspunkten.

Grundsätzlich wird bei Ringschlüssen empfohlen, sie in einem ersten Schritt nicht zu schliessen. Erweist sich der Gesamtfehler als gering, darf der Ringschluss an den Endpunkt angehängt werden. Im anderen Falle muss in aufwendiger Kleinarbeit versucht werden, den (die) groben Fehler einzugrenzen (z.B. Vergleich mit Zeichnung, Zuhilfenahme geologischer Strukturen) und die entsprechenden Messstrecken provisorisch zu korrigieren. Erst danach darf der Ringschluss geschlossen werden. Es versteht sich von selbst, dass die korrigierten Messstrecken in der Höhle überprüft werden müssen.
Die Hauptnachteile der Ringschluss-Methode bestehen darin, dass der Fehlbetrag erst zu Hause ermittelt werden kann und ein einzelner grober Fehler oft nur durch die nochmalige Vermessung des gesamten Ringschlusses nachgewiesen werden kann. Unter diesem Gesichtspunkt ist die jeweilige Kontrolle der Messdaten in rückwärtige Richtung vorzuziehen. Damit kann jede einzelne Messstrecke sofort kontrolliert werden und bei grösseren Differenzen direkt eine dritte Messung vorgenommen werden. Stehen zwei Gerätesets zur Verfügung, verlangsamt sich die Vermessung nur unwesentlich, da die unabhängig davon erstellte Zeichnung sowieso am meisten Zeit benötigt.

Die Nachvermessung schliesslich stellt stets eine Kapitulation vor den Interpretationsschwierigkeiten bestehender Messdaten oder Zeichnungen dar. Diese Arbeit ist zwar frustrierend, erfordert aber häufig einen geringeren Aufwand als die Interpretation fehlender, unvollständiger und fehlerhafter Daten. Um einer allfälligen dritten (oder gar vierten) Nachvermessung vorzubeugen, muss die Qualität der Messzüge und Zeichnung erste Priorität haben. Konkret bedeutet dies:

keine Nachvermessung ohne gleichzeitige Zeichnung (ausser die bestehende Zeichnung genügt auch den heutigen Ansprüchen);
Möglichst viele Verbindungen mit alten Messzügen: auch der neue Messzug kann Fehler enthalten; wichtig für die Übernahme bestehender Zeichnungen und für den Anschluss von Seitengängen; und vor allem: Sorgfalt kommt vor Geschwindigkeit.

Zusammenfassung

Der vorliegende Beitrag bestätigt es einmal mehr: es handelt sich hier um „Selbstverständlichkeiten“, die sich der Bediener eines Messgerätes mit etwas Beihilfe problemlos während einer einzigen Vermessungstour aneignen kann. Da sie nach allen bisherigen Erfahrungen aber alles andere als selbstverständlich sind, erfolgt anstelle einer Zusammenfassung eine tabellarische Zusammenstellung der wichtigsten Fehlerquellen mit den Massnahmen zur Behebung und Vorbeugung. Die schlimmsten Fehlerquellen sind speziell gekennzeichnet.

Verdankungen: Dieser Beitrag entspringt den Erfahrungen zahlreicher Vermessungs- und frustrierender Nachvermessungstouren. Für die Durchsicht, konstruktive Kritik und Ergänzung des Manuskriptes fühle ich mich bei M. Trüssel, P.-Y. Jeannin, A. Wildberger, Y. Weidmann, A. Hof und Ph. Häuselmann zu Dank verpflichtet. C. Brandt hat in unzähligen Stunden die schwierigen Übersetzungsarbeiten geleistet und dabei noch einige Verbesserungen eingebracht. Bedanken möchte ich mich auch bei B. und A. Dudan, welche sich bereit fanden, den Vertrieb der Ersatzteile am Helmaufbau zu übernehmen.

Erwähnte Literatur

GROSSENBACHER, Y. (1991): Topographie souterraine. Höhlenvermessung – Cours SSS No 4.

HOF, A. (1988): Instruments de topographie souterraine et fiabilité. Vermessungsgeräte und ihre Zuverlässigkeit. – Stalactite 38 (1/2): 47-59.

WEISSENSTEINER, V. & TRÜSSEL, Cl. (1991): Ein nützliches Visiersystem für den Kompass. Un dispositif de visée très pratique
pour les boussoles. – Stalactite 41 (1): 32-34.

Dieser Artikel wurde publiziert im Stalaktit, der Zeitschrift der Schweizerischen Gesellschaft für Höhlenforschung:

BITTERLI, T. (1995): Fehlervermeidung bei der Höhlenvermessung. Prévention des erreurs en topographie souterraine – Stalactite 45 (1): 2-17.

>> Die auf Fig. 3 angezeigte Neigung ist +14g (Achtung: es gibt auch Geräte wo die Skala gerade invers zur gezeigten ist), das Azimut beträgt 235g. Wer auf ein Azimut von 245g getippt hat, hätte bei einer 20m-Strecke einen Fehler von beinahe 4m eingebaut!